Dienstag, 17. November 2009

Die Beelitzer Heilstätten


Im Jahre 1898 kaufte die Landesversicherungsanstalt Berlin in Beelitz ein Gelände von ca. 140 ha um hier in den folgenden Jahren und Jahrzehnten eine moderne Lungenheilstätte, in der vornehmlich Patienten aus dem Berliner Ballungszentrum behandelt wurden, zu errichten. Im Jahre 1928 wurde das Gelände um mehr als 55 ha erweitert.

Heute liegt der einstige Krankenhauskomplex im Südwesten Berlins in einem tiefen Dornröschenschlaf. Und verfällt.


An der Straße zwischen Beelitz und Fichtenwalde tauchen sie plötzlich zwischen Bäumen auf: schlossähnliche Gebäude. Fast zugewachsen. Die Fenster vernagelt, die Wege verwildert. Beelitz-Heilstätten, einst einer der größten Krankenhauskomplexe Deutschlands, ist dem Verfall preisgegeben.


Nur notdürftig sind Türen und Fenster der ersten Etagen mit Brettern verrammelt. Doch in fast jedes der über ein Dutzend leerstehenden Gebäude findet sich ein Weg. Mal wurden Bretter gelöst, mal steht eine Kellerluke offen oder ist eine nur Tür angelehnt. Drinnen zeugen Müll und Matratzen von verbotenen Partys - neben Marmorsäulen, kunstvollen Buntglas-Fenstern und kuppelgekrönten Badesälen.

Der verwundete Soldat Adolf Hitler lag hier im Ersten Weltkrieg. Und Erich Honecker fand nach der Wende in Beelitz-Heilstätten für einige Wochen Asyl - im Lazarett der Sowjetarmee. Das zwei Quadratkilometer große Areal blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.

Ende des 19. Jahrhunderts erkrankten in Deutschland Millionen an Schwindsucht (Tuberkulose). Diese war Ursache für jeden dritten Todesfall und jede zweite Arbeitsunfähigkeit - auch in Berlin. Und so baute die Landesversicherungsanstalt Berlin ab 1898 südlich von Potsdam Lungenkliniken - die Geburt von Beelitz-Heilstätten. In den Weltkriegen wurden die Häuser zum Militärlazarett, ehe ab 1945 die Sowjetarmee das Gelände als Armee-Krankenhaus nutzte.
Als die Sowjets nach der deutschen Wiedervereinigung 1994 abzogen, bekam die Landesversicherungsanstalt Berlin die Beelitz-Heilstätten zurück und verkaufte das Areal an die Unternehmensgruppe Roland Ernst.

Die hatte große Pläne: Ein kompletter Ort mit 3000 Einwohnern und 1000 Arbeitsplätzen sollte entstehen. Das Heiz- und Maschinenhaus wurde saniert, und in der Nordecke des Areals entstand ein Gesundheitspark - mit neurologischer Rehaklinik (das ehemalige Männer-Lungenheilgebäude), Kinder-Rehaklinik und einem Hotel.

Doch als die Beelitz Heilstätten GmbH Ende 2000 Insolvenz anmeldet, versank der Rest wieder in einen tiefen Dornröschenschlaf. Gerade mal als Filmkulisse dürfen die morbiden Gemäuer noch herhalten. Götz George drehte hier den „Racheengel“, Regisseur Roman Polanski arbeitete hier am später oscarprämierten Film „Der Pianist“ und erst kürzlich war Tom Cruise für den Stauffenbergfilm im Badehaus.

Und heute? Heute ist das Gelände ein riesiger Abenteuerspielplatz. Ein gefährlicher, denn nichts ist gesichert. Im Chirurgiegebäude verrotten alte russische Medikamente. Abgründe tun sich auf. Zugänge auf brüchige Dächer sind nicht versperrt.

Das ist die eine Seite. Über die andere staunt man nur: über die Schönheit der Architektur, die noch im Verfall zu sehen ist. So prachtvoll wurden einst Krankenhäuser gebaut! Etwa das Foyer im Männersanatorium. Freitreppen wie aus „Vom Winde verweht“, bunte Jugendstilfenster - fast ohne Schäden. Oder etwa die filigran verkachelte Kuppel über dem Tauchbecken im Männer-Lungenheilgebäude.

Beim Durchstreifen der alten Gebäude fühlt man sich wie Indiana Jones - auf der Suche nach Artefakten. Die Häuser sind durch kilometerlange Kellergänge verbunden. Man taucht im Küchengebäude ab und im Frauensanatorium wieder auf. Man stößt auf sowjetische Wandmalereien - sozialistisch, realistisch. Man entdecket einen noch teilweise eingerichteten OP-Saal, russische Bücher und ein Puppentheater im Badehaus. „Dobro pojalovat“ steht da über den Fenstern: Herzlich willkommen.


Quellen: Text (Auszug) Website http://rambaldi-projekt.blogspot.com; Wikipedia; Fotos teilw.: Klaus Greipel; weitere Informationen und Fotos von vielen anderen Websites...

6 Kommentare:

  1. Tolle Bilder und eine toll erzählte Geschichte.

    Gruß Björn
    booorn.de

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  2. Hey,

    das ist ein ganz außergewöhnlicher Beitrag - Weißt du, in welchem Zustand das Gelände heute ist?

    Viele Grüße
    Janine

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  3. Die meisten Gebäude sind sehr heruntergekommen und man muss sehr aufpassen. Man kann an manchen ecken noch teile erkennen und ich finde es sehr gewaltig. Wenn man nachts hingeht, kommen die haeuser einfach so auf einen zu und man sieht sie erst wenn man kurz davor steht das ist ein wahnsinniges Gefühl

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  4. Sind die Deutschen nicht mehr ganz bei Trost, sowas verkommen zu lassen?
    Aber Auschwitz, Dachau etc. wird gepflegt, da habt ihr Geld!!
    Typisch für euren Selbsthass!

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  5. An den Verfasser des Beitrages "21. Januar 14:18 Uhr"
    Das gesamte Gelände befindet sich nicht in staatlichen, sondern in privaten Händen und ist teils schon saniert. Der Rest folgt - warum das sich so zieht? Nun die Suche nach Investoren und ganz besonders die Auflage der Stadt Beelitz machen es dem Eigentümer nicht leicht. Die Heilstätten, wie auch und nun bleibe ich bei deinen Beispielen Dachau und Ausschwitz, sind alle Teil unsere Geschichte. Die Pflege hat nichts mit Selbsthass, mehr mit Aufklärung zu tun. Mit nur geringen Geschichtskenntnissen wirst du verstehen, warum die Anlage adhoc geräumt werden musste und wie die Zuständigkeiten damals waren. Also bitte nicht solche dümmlichen Bemerkungen ohne Hintergrundkenntnisse.

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  6. Der absolute hammer wenn nann noch nie da war muss mann sich das um genau null uhr mit taschenlampen zu viert mal geben!!!!! ;)

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