Montag, 9. November 2009

Reichsehrenmal Tannenberg

Schon bald nach dem Ende des 1. Weltkriegs manifestierte sich der Wunsch, vor allem unter den Tannenbergkämpfern, den gefallenen Kameraden ein würdiges Denkmal zu setzen. Es bildete sich der „Tannenberg-Nationaldenkmals-Verein“ unter dem Vorsitz von General Kahns und so entstand bald ein gewaltiger Denkmalskomplex.



Dieses seit 1935 "Reichsehrenmal der Tannenbergschlacht" genannte Bauwerk nordwestlich von Hohenstein an der Schnellstrasse von Warschau nach Elbing existiert nicht mehr. Es war ein 1928 errichteter, mit einem achteckigen Mauerring umgebener, gewaltiger Ziegelsteinbau mit 8 Ehrentürmen von 23 m Höhe. Der Durchmesser betrug ca. 100 Meter. Weiterhin wurde zwischen dem benachbarten Städtchen Hohenstein (poln. Olsztynek) und dem Tannenberg-Denkmal ein 7,5 Hektar großer Denkmalpark angelegt.
Entworfen wurde das Denkmal vom Architekturbüro Walter (30. 12. 1888 - 15. 2. 1971) und Johannes (22. 11. 1890 - 6. 5. 1975) Krüger aus Berlin. Beide Brüder hatten Architektur studiert und eröffneten 1924 zusammen ein Architekturbüro. Sie gewannen bereits 1925 den ersten Preis im Wettbewerb um das Tannenberg-Denkmal und zugleich den Auftrag für die Bauleitung. Der Komplex wurde in zwei Bauphasen 1926/27 und 1934/35 errichtet...

Spätsommer 1927. «Zwei Stunden flotte Fahrt, Felder-Wälder-Hügel-Seen. Spirdingsee Ordensburg, Preussisch Holland sehr hübsch auf einem Berg gelegen, - schliesslich Gräber am Weg - Tannenberg Denkmal trotzig aufragend von wuchtigen Türmen wehen lange, schmale, weisse Wimpel mit dem schwarzen Kreuz.» Mit einer kleinen Gruppe von Bekannten fährt Ruth Kartmann am 18. September von Elbing nach Hohenstein beim ostpreussischen Allenstein. Aber es ist nicht die Schönheit der Landschaft, die die gebürtige Posenerin zusammen mit Tausenden Schaulustiger hierher lockt. Sie will an der Einweihung des Tannenberg-Denkmals teilnehmen. Neben der ausführlichen Berichterstattung in der zeitgenössischen Presse gehört die heute als Kopie im Nordostdeutschen Archiv, Lüneburg, verwahrte Tagebuchnotiz der damals 28-jährigen Ruth Kartmann zu den wenigen privaten Augenzeugenberichten der Denkmaleinweihung, die überliefert sind: «Nun aus der Ferne eine elegante Kavalkade näherkommend, in ihrer Mitte - Hindenburg - jubelnd begrüsst.»

Das Zentrum des inneren Festplatzes bildete in der ersten Version von 1928 eine von einem hohen Kreuz bekrönte Grabstätte für 20 unbekannte deutsche Soldaten der Tannenbergschlacht. Nach dem Tod Hindenburgs erweiterte man auf Geheiß Hitlers die den Toten der Tannenbergschlacht geweihte und an den Sieg über die russische Armee erinnernde Stätte um den Totenkult für den siegreichen Feldherrn und Reichspräsidenten.
Die dazu vorgesehene Neugestaltung des Denkmals galt vornehmlich dem Einbau der "Hindenburg-Gruft", die von zwei Soldatengrabgewölben flankiert wurde, und der Einebnung des Innenhofs für Aufmärsche. Während einer einjährigen Umbauphase passten die Brüder Krüger das Monument an die Kultanforderungen der Nationalsozialisten an. Dabei nahm Hitler unmittelbar Einfluss auf die Planungen. Tannenberg bietet somit ein herausragendes Beispiel von Kontinuität und Transformation eines Denkmalskomplexes der Weimarer Republik während des «Dritten Reichs». An die Stelle des zentralen Hochkreuzes trat ein gepflasterter Aufmarschplatz, vergleichbar denen in Nürnberg, München und Berlin. Flankiert von zwei überlebensgrossen steinernen Wehrmachtssoldaten, öffnete sich am Ende der Aufmarschfläche der Zugang zur Hindenburg-Gruft. Zusammen mit einer darüber gelegenen Hindenburg-Gedenkhalle - mit überlebensgrossem Porphyrstandbild des Reichskanzlers - war sie in einen der Türme integriert worden. Die reduzierte neoromanische Formensprache der Gruft bildete einen deutlichen Gegensatz zur übrigen Denkmalsarchitektur der zwanziger Jahre, die einem moderaten Backstein-Expressionismus verpflichtet war. Über dem Eingang zur Hindenburg-Gruft ruhte ein gewaltiger Findling.
Augenfälligste Veränderung ausserhalb des Denkmals war die grossflächige Landschaftsumgestaltung durch Heinrich Wiepking-Jürgensmann, die auf eine Freistellung und Monumentalisierung des Denkmalskomplexes ausgerichtet war.

Landschaftsskizze von Wiepking-Jürgensmann (1936)


Bezeichnung der Türme im links abgebildeten Grundriß des Tannenbergdenkmals, Leserichtung entgegen dem Uhrzeigersinn, beginnend unten: 1 = Eingangsturm, 2 = Hindenburgturm, 3 = Ostpreußenturm, 4 = Fahnenturm, 5 = Gruftturm mit den Sarkophagen der Hindenburgs, 6 = Soldatenturm, 7 = Kirchlicher Weiheturm, 8 = Feldherrenturm (aus: Kreisbuch Osterode).



Die Nationalsozialisten nutzten die Popularität des Denkmals für ihre Zwecke. Bereits vor der Machtübernahme besuchten Hitler und Erich Koch die Gedenkstätte. Der Tod Hindenburgs bot die Möglichkeit, die tief verwurzelte Verehrung des Reichspräsidenten in der Bevölkerung mit dem Ansehen der neuen Machthaber zu verbinden. Am 8. August 1934 fand für Reichspräsident Paul von Hindenburg in einem pompösen Festakt die Totenfeier statt und am 2. Oktober 1935 fand er in der Gruft des Hindenburgturms - entgegen seinem Wunsch - seine vorübergehend letzte Ruhestätte, bei welcher Gelegenheit Hitler das Denkmal zum „Reichsehrenmal“ erhob.

Der Rasthof am Reichsehrenmal Tannenberg
Beim Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen zerstörten die zurückweichenden deutschen Truppen das Ehrenmal teilweise. Der Befehl zur Sprengung erreichte den Kommandeur der 229. Infanteriedivision, Oberst Göbel, am Morgen des 21. Januar 1945. Da keine Pionier-Sprengmittel vorhanden waren, erfolgte am gleichen Tag die Sprengung der Hindenburg-Gruft mit T-Minen. Mit neu herangebrachten Pionier-Sprengmitteln erfolgte am gleichen Abend die Sprengung des Hauptturmes (Hindenburgturm) und des Eingangsturmes. Mit weiteren 30 t Munition wurde am 22. Januar die Zerstörung fortgesetzt. Am Abend des 20. Januar 1945 evakuierte man die Särge des Reichspräsidenten und seiner Frau, die bereits 1921 gestorben war, zusammen mit den dort aufgestellten Nachbildungen der Fahnen ruhmreicher ost- und westpreußischer Regimenter, die an den Schlachten des 1. Weltkriegs in Ostpreußen teilgenommen hatten, sowie sonstigen Ehrengaben wie dem spanischen Kranz, den Büsten von Generälen, bronzenen Ulanenlanzen und dem Ehrenmal der Pioniere. Der Transport der Särge erfolgte über See, zunächst auf dem Kreuzer "Emden" und weiter auf der "Pretoria" nach Stettin, um dann in einem Salzbergwerk eingelagert zu werden.
Als die Särge an der "Emden" ankamen, soll sich folgendes zugetragen haben: Einem älteren Herrn, der neben einem Matrosen der "Emden" stand, soll, als er die im Schneetreiben daliegenden Säge und Fahnen sah, "Paul steh' auf, wir brauchen Dich!" über die Lippen gekommen sein. Der Anblick war so erbarmungswürdig wie die Situation in Ostpreußen.

Heute stehen die beiden Särge der Hindenburgs in der Elisabethkirche in Marburg an der Lahn. Acht Traditionsfahnen jener Regimenter, die an der Tannenbergschlacht 1914 teilgenommen hatten, befinden sich seit 2003 im Hindenburg-Zimmer des Ordensschlosses Ellingen, zur Verfügung gestellt vom Kuratorium ostpreußischer Traditionsverbände.



18 Jahre nach seiner Einweihung bot der Denkmalkomplex nun einen gespenstischen Anblick. «Das Tannenbergdenkmal, aus dem der vordere und der hintere Turm herausgesprengt ist, zieht wie ein schlechter Traum an uns vorüber», notiert Hans Graf von Lehndorff in seinem «Ostpreussischen Tagebuch». Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dienten die Ruinen als Steinbruch für den Wiederaufbau in Polen und für die Errichtung eines sozialistischen Denkmals im ehemaligen Allenstein, dem heutigen Olsztyn, ehe die letzten Überreste in den achtziger Jahren geschleift wurden.

Erhalten blieb lediglich das Löwendenkmal. Es stand außerhalb, ca. 300 m vor dem Tannenbergdenkmal. Der Löwe saß ursprünglich auf einer 8 m hohen Pyramide aus Feldsteinen. Das Denkmal war den Gefallenen von Hindenburgs Leibregiment, dem 2. Masurischen Infanterie-Regiment Nr. 147, geweiht. Das Regiment wurde mit dem Ehrennamen des Marschalls nach der Winterschlacht in Masuren bedacht. Am 20. Mai 1993 wurde der Löwe, der sich fast fünfzig Jahre auf einem sowjetischen Kasernengelände befand, vor dem Rathaus des früheren Hohenstein, heute Olsztynek, auf einen kleinen Sockel gestellt.

Nur wenige Ruinenfragmente findet man heute noch vor. Neuerdings (2004) spricht die Heimatkreisgemeinde mit Vertretern der Stadt Hohenstein darüber, die Grabkammer Hindenburgs im Hindenburgturm freizulegen und darin ein Mausoleum für die in der Tannenbergschlacht gefallenen deutschen, russischen und polnischen Soldaten einzurichten.




Eine sehr umfangreiche und detaillierte Website über das Reichsehrenmal Tannenberg bietet Andreas Springer an: Reichsehrenmal Tannenberg

Weitere interessante Fotos finden sich hier: Reichsehrenmal Tannenberg

[Quelle Text Auszüge, Fotos: www.ostpreussen.net; wikipedia; "Neue Zürcher Zeitung", Artikel von Jürgen Tietz]

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