Mittwoch, 13. Januar 2010

Historischer Autofriedhof Gürbetal

Bei diesem Lostplace handelt es sich um etwas ganz Besonderes: es geht um den ehemaligen historischen Autofriedhof Gürbetal, ein Teilgelände des Autoverwertungsbetrieb Messerli Autoverwertung GmbH in der Gemeinde Kaufdorf im Schweizer Kanton Bern. Der Autofriedhof stellte eine Ansammlung von über 1.000 Autowracks und etwa 400 Motorrädern aus den 1930er bis 1970er Jahren dar.


Geschichte

Der gelernte Zimmermann Walter Messerli begann 1933 mit dem Handel gebrauchter Automobilersatzteile. Dazu kaufte er ausgediente Fahrzeuge auf, baute wiederverwertbare Teile aus und stellte die Karosserien auf das landwirtschaftliche Anwesen seiner Eltern. Da sich Nachbarn durch den Anblick der Fahrzeugwracks gestört fühlten, musste Messerli auf Anordnung der Gemeinde Bäume als Sichtschutz pflanzen.

1975 übernahm Franz Messerli den Betrieb von seinem Vater und führte das Unternehmen weiter. Die inzwischen ansehnliche Ansammlung ausgeschlachteter Fahrzeuge mit dem Schwerpunkt 1940er bis 1960er Jahre, die teilweise bereits in verwildertem Pflanzenwuchs versanken, war ein aussergewöhnliches Zeugnis der Schweizer Verkehrsgeschichte, dem sowohl das Verkehrshaus Luzern wie auch das Historische Museum Bern einen kulturhistorischen Wert attestierten.


Fahrzeuge

Neben ganz alltäglichen Fahrzeugen der 1940er bis 1960er wie Auto Union, Volkswagen, Mercedes, Ford, Opel, Lloyd, Goliath, Fiat, Peugeot oder Citroen waren auch exotische Autotypen wie Studebaker, Mercedes-Benz 190 SL Roadster, Panhard, Sunbeam oder Buick auf dem Autofriedhof abgestellt. Aber auch Sonderaufbauten und -Karosserien, z. B. ein Peugeot 203 Cabriolet mit Worblaufen-Karosserie oder ein VW-Bus mit seltenem Beutler-Aufbau, und selbst Fahrzeuge des Ostblocks wie Framo oder Tatra fanden sich auf dem Gelände. Kaufangebote für einzelne Wracks oder deren zum Teil sehr wertvolle Ersatzteile wurden durch den Autoverwerter Messerli lange Zeit abgelehnt. „Ich sehe den Autofriedhof wie ein Puzzle. Fehlt auch nur ein einziges Teilchen, ist es nie mehr vollständig“ meinte Messerli dazu.

Da die Messerlis der Öffentlichkeit den Zutritt verwehrten, blieben die Kaufdorfer Autos, abgesehen vom natürlichen Verfall, oft vollständig erhalten - anders als auf ähnlichen Plätzen wie etwa Kyrkö Mosse in Schweden oder in einem Wald bei Châtillon (Belgien).

Räumungsbefehl

Der historisch gewachsene Verwertungsbetrieb erfüllte schliesslich nicht mehr die inzwischen geltenden Bundes- und Kantonsvorschriften. Nach Interventionen des Kantons ab Frühjahr 2000 erging durch die Gemeinde Kaufdorf 2004 ein Massnahmenkatalog an den Betreiber. Darin wurden auch aus Umweltschutzgründen die Räumung des Autofriedhofs und die Sanierung des Geländes angeordnet.

Neben Messerli wehrten sich auch Oldtimerfreunde gegen den Räumungsbefehl. Die juristische Auseinandersetzung zwischen Messerli und der Gemeinde Kaufdorf sowie die Lösungssuche für den Erhalt des Autofriedhofs, z.B. als eine Art Freilichtmuseum, fand ein internationales Medienecho.
2008 wurde vom Förderverein Historischer Autofriedhof Gürbetal auf dem Autofriedhof eine nationale Kunstausstellung veranstaltet. Das Gelände wurde dafür für die erwartete hohe Besucherzahl vorbereitet. Über Bereiche, in denen die Autowracks dicht an dicht abgestellt sind, wurden Fussgängerstege gebaut. Über 30.000 Menschen besuchten die Ausstellung und den Autofriedhof.

Auflösung

Trotz des weltweiten Echos und Konzepten eines Erhalts des Autofriedhofs stimmte die Gemeinde Kaufdorf der Umnutzung nicht zu. Sie bemängelte die nicht erfüllten Umweltauflagen und eine ungesicherte Finanzierung. Der Förderverein vermutete Rache als Teilmotiv der Gemeinde, da es in den vergangenen Jahrzehnten zu rund hundert juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Familie Messerli und der Gemeinde bzw. Anwohnern gekommen war. Eine letzte Frist für ein neues Umnutzungskonzept wurde zunächst bis März 2009, dann bis September 2009 gewährt. Nach dieser Frist wurde die Räumung angeordnet. Während der Förderverein nach eigener Angabe den Räumungsentscheid akzeptierte, verweigerte Messerli nach wie vor die Räumung und liess die Frist bis Ende März 2009 ungenutzt verstreichen.


Kurz darauf stimmte Messerli dem Räumungsbefehl zu. Zunächst versuchte er vergeblich, sämtliche Fahrzeuge des Autofriedhofs „en bloc“ zu versteigern; das geforderte Mindestgebot lag bei 1,09 Millionen Schweizer Franken. Schliesslich wurde eine Auktion durch die Oldtimergalerie Toffen organisiert, bei der am 19. September 2009 die Fahrzeuge einzeln und ohne Mindestgebot versteigert wurden. 499, also rund zwei Drittel der Fahrzeuge, wurden für Preise zwischen 50 und 17.000 Schweizer Franken verkauft, der Rest wurde entsorgt.

Messerli möchte das geräumte Gelände künftig als Lagerplatz für Fahrende zur Verfügung stellen, die Gemeinde Kaufdorf plant dagegen an gleicher Stelle einen Badesee.


Quelle, u. a.: Wikipedia; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 4. 10. 2009

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen